Es war doch sehr interessant zu sehen, welch ein Aufschrei der Entrüstung (und auch der Begeisterung) zu hören war, als Toni Kroos das ZDF-Interview nach dem gewonnenen Championsleague-Finale abbrach mit den Worten: „Das sind doch Scheiß-Fragen.“ Und schob im Weggehen nach: „Ganz schlimm, ganz schlimm wirklich“ – ein Interviewabbruch der besonderen Art.
Während dieser Interviewabbruch dem ein oder anderen TV-Channel dann sogar Sondersendungen wert ist, stellt sich dem Medientrainer die Frage: Darf man das? Dürfen Sie ein Interview abbrechen?
Ein Interview ist eine „Geschäftsbeziehung“
Um die Frage kurz und knapp zu beantworten: Natürlich dürfen Sie ein Interview vorzeitig beenden. Es ist nicht üblich, auch weil es Anstand und Höflichkeit verbieten und Sie Gast des Interviewers sind. Aber es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Sie das Interview abbrechen – die „unangenehmen Fragen“ sollten es jedenfalls nicht sein. Denn Aufgabe von Journalist:innen ist es nicht, Fragen zu stellen, die Ihnen gefallen. Ein Interview ist eine „Geschäftsbeziehung“. Und in dieser „Geschäftsbeziehung“ ist es so, dass Journalist:innen etwas wissen möchten. Und Sie sind diese „Geschäftsbeziehung“ eingegangen, weil Sie etwas zu sagen haben. Da gibt es eben manchmal nur eine geringe Schnittmenge.
Also, wenn Sie ein Interview nicht wegen der Fragen abbrechen sollten, welche anderen Gründe wären dann legitim? Letztendlich gibt es nur einen: wenn Sie sich überhaupt nicht wohlfühlen, wenn Sie total ungerecht behandelt werden, wenn man Ihnen nicht im Ansatz zuhört. Ich meine nicht ein diffuses Unwohlsein während des Interviews, sondern ein substanzielles. Das wäre meiner Ansicht nach ein legitimer Grund, ein Interview abzubrechen. Das wird Sie zwar aller Voraussicht nach nicht „professionell“ und „souverän“ aussehen lassen. Aber das ist immer noch besser, als in eine Stimmung zu geraten, die Sie Dinge sagen läßt, die Sie später bereuen.
Und sicher ist dabei auch entscheidend, in welcher Interview-Situation Sie sich befinden. Ein Toni Kroos nach einem Fußballspiel hat es da leichter, als ein Manager in einer Bilanzpressekonferenz – in letzterem Fall könnte die Wirkung in der Tat verheerend für Management und Unternehmen sein. Stellen Sie sich das einmal vor: eine kritische Frage einer Journalistin in einer Pressekonferenz und der Vorstandschef verlässt den Raum…
Souveräne Alternativen für einen Interviewabbruch
Letztlich ist die Wirkung Ihres Handelns entscheidend – Sie können alles machen in einem Interview, müssen sich aber auch über die Wirkung Ihres Handelns bewusst sein. Und wenn Sie sich sehr über Fragen ärgern, dann können Sie übrigens durchaus auch so antworten, dass es souverän wirkt (in einem Medientraining wird genau das geübt: https://silver-mediaconsulting.com/
Wenn also Toni Kroos sich mit einem „Vielen Dank“ von der ZDF-Kamera verabschiedet hätte, dann wäre das nur als „abruptes Beenden eines Interviews“ wahrgenommen worden. Weil er sich aber nicht zurückhalten konnte, über die Arbeit seines Gegenübers und von „Scheiß-Fragen“ zu sprechen, hat es die Öffentlichkeit als „Interview-Eklat“ und „Wutanfall“ wahrgenommen. Da gibt es wahrlich elegantere Möglichkeiten. Übrigens nur am Rande: Was wäre wohl passiert, wenn der ZDF-Reporter von „Scheiß-Antworten“ gesprochen hätte – aber das ist ein anderes Thema.
„Es gibt keine dumme Fragen, nur dumme Antworten“
Man kann trefflich darüber streiten, ob eine Frage intelligent ist – zumal ein geflügeltes Wort sagt: „Es gibt keine dumme Fragen, nur dumme Antworten.“ Der ZDF-Reporter hat Kroos jedenfalls nicht beleidigt oder beschimpft, sondern nur danach gefragt, warum Kroos´ Mannschaft trotz Sieg in Bedrängnis geraten war. Es gäbe viele Möglichkeiten, einen Interviewabbruch zu vermeiden und darauf eine souveräne Antwort zu finden. Das ist eine Frage des Trainings, von Medientraining eben – aber letztlich können auch „medientrainierte Profis“ mal platzen. Das dürfen sie, es sind auch nur Menschen. Und letztlich: es gibt wahrlich Schlimmeres im Leben als ein abgebrochenes Interview.