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Der Mann ist ein Profi, er war gut auf das Interview mit Marietta Slomka vorbereitet und es ist nicht sein erstes Interview. Trotzdem: Seine Kür zum Deutsche-Bank-CEO wird – wenn auch keine große Überraschung – mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet und es lohnt sich ein genauerer Blick. 

Das Wichtigste vorweg: Sewing hat sich gut geschlagen. Er wirkt sehr sympathisch, er lächelt zu Beginn des Interviews (und zum Ende), und zwar so, dass man es ihm abnimmt. Und das ist das vielleicht Wichtigste, was nach diesem Interview hängen bleibt: Ein sympathischer Banker, bzw. noch mehr: sogar ein sympathischer Deutsche-Bank-Banker.

Der 47jährige Westfale redet ruhig und langsam, er sitzt aufrecht – die Zuschauer können ihm gut folgen. Ob sie das über die gesamte Distanz von 6:44 Minuten tun, bleibt dahingestellt. Die heute-Redaktion war sicher stolz ein Interview mit ihm führen zu können und hat ihm diese ungewöhnliche lange Strecke eingeräumt.

Zum Interview im Detail:

1. Frage: Sein neuer Job ein ziemlicher Schleudersitz?

Frei nach Henry Kissinger „What questions do you have for my answers” spricht Sewing über die „vielen Herausforderungen” für die Deutsche Bank. Klassisches Bridging. Gut gelöst.

2. Was hat ihr Vorgänger falsch gemacht, was werden Sie anders machen?

Marietta Slomka hat nicht im Ernst geglaubt, ihm Kritik an John Cryan zu entlocken (by the way: wenn Marietta Slomka „John Cryan“ doch wenigstens richtig ausgesprechen würde).

Und so redet Sewing über die Erfolge der Deutschen Bank und die seines Vorgängers: Kapitalstärkung und Risiko-Reduktion. Hilfreich und verständlicher für die Zuschauer wäre es, das Bank-Chinesisch an einem Beispiel festzumachen und zu erklären.

3. Frage: Welche Strategie wird die Bank verfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf das Investment-Banking?

Eine dankbare Frage für jeden Interview-Gast, eröffnet sie doch die Möglichkeit, das zu sagen, was man ohnehin sagen will und schon mehrfach gesagt hat. Sewing nutzt diese Chance. Die Deutsche Bank will Marktführer werden und auch im Investment-Banking will die Deutsche Bank stark werden.

4. Frage: Im Brief an die Mitarbeiter nannte Sewing die Geschäftsentwicklung der Deutschen Bank in 2018 „solide“. Angesichts der vielen Skandale und Betrugsvorwürfe bei der Deutschen Bank wäre doch „solide“ ein guter Anfang?

Sewing gelingt es auch hier, nur kurz die Skandale zu streifen, die die Bank „glücklicherweise hinter sich gelassen habe“ um dann auf seine Strategie einzugehen und sie zu positionieren. Und dankenswerterweise hält sich Marietta Slomka an die vorbereiteten Fragen und fasst anschließend nicht nach. Noch ist die Deutsche Bank in einige tausend Prozesse verwickelt, erst am Montag begann das Verfahren gegen einen Ex-Deutsche-Bank-Händler in London wegen manipulierte Euribor-Zinssätze.

5. Frage: 2,3 Milliarden Boni an die Mitarbeiter? 

Eine Klassiker-Frage, die in keinem Interview mit einem Banker fehlen darf – die mich in dieser Form gestellt allerdings mittlerweile langweilt: Sewing reagiert souverän und zeigt sich durchaus selbstkritisch. Er verweist auf den globalen Wettbewerb um Investment-Banker und schließlich darauf, dass die Mitarbeiter im Investment-Banking „einen wirklich guten Job gemacht“ haben. Deswegen sei eine „variable Vergütung absolut notwendig“ – im Prinzip ein Einladung zur kritischen Nachfrage.

6. Frage: Vielleicht ist die Deutsche Bank einfach nicht mehr groß genug, um im Wettbewerb mit Wall Street & Co. mithalten zu können?

Da hat Marietta Slomka entweder nicht zugehört oder Christian Sewing nicht verstanden – die Deutsche Bank hält ja im Wettbewerb mit, sonst würde sie ja keine Boni zahlen. Und die eigentliche Frage ist doch, ob solche Boni gesellschaftlich und ethisch überhaupt vertretbar sind. So bietet auch diese Frage Christian Sewing den Raum seine Botschaften platzieren zu können: die Deutsche Bank muss in den USA stark und präsent sein, auch für die deutsche Wirtschaft.

7. Frage: Warum muss Herr Achleitner nicht gehen, sondern immer nur die Vorstandschefs?

Bei einer solchen Frage stockt mir fast der Atem, weil ich denke, ein Profi wie Marietta Slomka kann doch nicht ernsthaft denken, dass sie darauf eine Antwort erhält, die weiterführt. So sagt Sewing genau das, was er sagen muss (und sollte), dass er sich dazu natürlich nicht äußern wird. Die Aufgabe des Vorstandes sei es, die Bank wieder langfristig profitabel und kundenorientiert zu machen „und darin sehe ich meine Haupt-Herausforderung“ – was für ein Schluss-Satz, besser hätte er nicht formuliert werden können.

Fazit:

Dieses Interview war keine echte Herausforderung. Insgesamt stellt Marietta Slomka sehr freundliche Fragen, nur scheinbar kritisch und es war kein Interview vor dem sich viele Manager fürchten, nämlich, dass sie „gegrillt“ werden. 

Christian Sewing hat die Chance genutzt, seine Botschaften zu platzieren – ihm ist es sogar gelungen, seine Botschaften mehrmals zu platzieren. Aber es wäre sicher hilfreich, wenn er  weniger „glaubt“. Er „glaubt“, dass das gesamte Bankgeschäft im Wandel ist. Er „glaubt“, dass die Verluste dazu geführt haben, dass der Markt an der Deutschen Bank zweifelt und er „glaubt“, dass es Veränderungen und Anpassungen im Geschäft geben muss. Eine solche Wortwahl führt tendenziell dazu, als zögerlich und unsicher wahrgenommen zu werden – was Sewing definitiv nicht ist, sonst wäre er jetzt nicht Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Und als solcher „weiß“ er mehr als er uns glauben macht. 

Das ganze Interview in der ZDF-Mediathek:

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/videos/sewing-solide-reicht-nicht-aus-100.html

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