Da stand er also nun, der Siemens-Chef. Beim Jahresempfang des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft hatte eine Klima-Aktivistin kurz vor seiner Rede das Rednerpult okkupiert. Joe Kaeser rollte sein Manuskript, lächelte und hörte zu. Als er sich dem Rednerpult näherte, schien es fast so, als wollte er ins Gespräch kommen. Aber wenn Klimaaktivisten mitten in der Klimaaktivität sind, kann das schwer sein. Und so wurde sie hinausbegleitet, als ihre Rede beendet schien (oder sie beendete ihre Rede, weil das Mikrofon ausgeschaltet wurde).
„Kaeser sah doch wie ein Depp aus“, meinte ein Kollege, der beim Jahresempfang dabei war. Und er ergänzte: „Da hätte doch was passieren müssen.“
Aber was genau hätte passieren müssen? Was wären die Alternativen gewesen? Und jeder kann sich einmal selbst die Frage stellen, was er/sie tun würde, wenn er in einer ähnlichen Situation wie Kaeser wäre. Die Klima-Aktivistin wegziehen vom Rednerpult? Dazwischen gehen? Sie gar an Armen und Beinen hinaustragen? Keine wirklichen Optionen, oder?
Einen eifrigen, sichtbar verunsicherten Saalordner hielt Kaeser zurück. Und das war gut. Er verhinderte damit genau jene „guten Social-Media-Bilder“, die bei solchen Aktionen dann doch ganz hilfreich sind.
Der Siemens-Chef hat alles richtig gemacht. Und mehr noch. Er hat – im Gegensatz zu Teilen des Auditoriums – nicht applaudiert, als die Aktivistin hinausbegleitet wurde. Er wich zu Beginn seiner Rede vom Manuskript ab und ging auf die Störung ein. Dies sei „Realität“, sagte Kaeser und erneuerte sein Gesprächsangebot an Klimaschützer doch an Lösungen mitzuarbeiten.
Völlig unabhängig davon, ob das ein realistisches Angebot ist: Wenn ein Konzernchef mit Umsicht auf solche Vorfälle reagiert und glaubhaft seine Dialog-Bereitschaft signalisiert, dann ist das das Beste, was er in solch einer Situation machen kann – und das entbindet ihn nicht von der Pflicht, den Konzern in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu entwickeln.